Kriege, Unfälle,
Katastrophen, Mord. Der Tod kommt mit den Nachrichten, ist dauerpräsent in den
Medien, wird mit dem täglichen Informationsfluss schnell wieder aus unseren
Köpfen gewaschen; der Tod ist unter uns und doch weit entfernt. Die ständige mediale
Konfrontation hat uns abstumpfen lassen. Wir nehmen ihn hin, den Tod, ohne
große Emotionen oftmals, denn wir glauben ihn zu kennen, doch nur wenige von
uns wurden Zeuge seiner selbst – life zum Anfassen und in Dolby Surround.
Auf künstlerischer Ebene
erzielt der Tod eine andere Wirkung auf den Menschen. Er berührt, schockiert,
provoziert, er erfüllt uns mit Mitleid, mit Angst sogar – der Tod, Inspiration
zahlreicher Künstler, zu allen Zeiten wohlgemerkt.
Man weiß nicht, was ist, nach
dem Sterben. Was passiert mit der Seele, nachdem man gestorben ist? Gibt es
eine Seele? Zahlreiche Vermutungen nähren - klerikale, wissenschaftliche - die
Debatte um das Lebensende. Persönliche Vorstellungen werden neu gebildet,
bestärkt oder verändert. Was soll man denn nun glauben? Wie ist es denn nun,
das Sterben?
Erst durch die Verarbeitung
fängt man also im Gegensatz zur medialen Informationsflut an, sich aktiv mit
diesem Thema zu beschäftigen. Künstler bringen ihre Vorstellungen, Gedanken und
Ideen durchdacht aufs Papier oder auf die Leinwand. Man besucht Ausstellungen,
schnell ist man in einer Diskussion mit den Inhalten: geschmacklose Provokation
oder künstlerische Freiheit, denn der Tod - obwohl man heute eigentlich nicht
gern in der Öffentlichkeit über das „Tabuthema Todesschlaf“ spricht -
fasziniert.
Trotz der Faszination dieses
Themas, das die Menschen zu allen Zeiten beschäftigte, inspirierte, befasste
man sich in der Vergangenheit anders als in der Gegenwart mit dem Sterben.
Im Mittelalter gehörte der
Tod zum Alltag. Bis zum Jahre 1770 ungefähr wurden die Leute durch Kriege,
Pestwellen, Epidemien, öffentliche Hinrichtungen ständig mit diesem Thema
konfrontiert. Die Menschen hatten einfach eine geringere Lebenserwartung, sie starben
früher, mitten in der Gesellschaft, öffentlich.
Man führte so genannte
„Memento-mori-Schmuckstücke, oftmals kleine aus Holz geschnitzte Särge mit
Skeletten, mit sich, die den Träger stets an die Verstorbenen und vor allen
Dingen die eigene Sterblichkeit erinnern sollten. An den körperlichen Verfall
und damit den Tod wurde also ständig gemahnt.
Kurz gesagt: Der Tod gehörte
zum Leben.
Einen ebenso wichtigen
Stellenwert im alltäglichen Leben hatte die Religion; der Glaube, der das Leben
der Menschen im Mittelalter gleichermaßen bestimmte.
Schreckliche, doch
farbenprächtige Bilder zeigten ihnen ein Leben nach dem Tod auf, dokumentierten
höllische Szenarien und das Fegefeuer in all ihrer Grausamkeit. Auf der anderen
Seite wurde der Himmel dargestellt, das herrliche Paradies.
Die Menschen stellten sich
vor, der zukünftige Verbleib ihrer Seele würde sich erst im letzten Moment vor
dem Tod entscheiden. So entstanden, da der größte Teil der Menschen im
Mittelalter nicht lesen konnte, illustrierte Anleitungen unter dem Titel „Ars
moriendi – Die Kunst des Sterbens“ über das richtige Verhalten kurz vor dem
Exitus. Diese Anleitungen führten den Todgeweihten Schritt für Schritt durch
den Prozess des Sterbens.
So war beispielsweise auf
den Bildern der Teufel dargestellt, der den Sterbenden in Versuchung führt. Dazu
wurde gleich der richtige Weg gezeigt, wie man diese Situation umgehen könne.
Nicht an seinen materiellen Gütern sollte man festhalten, sondern seinen Blick
in den letzten Augenblicken des Lebens auf den gekreuzigten Jesus Christus
richten.
Ein weiteres Zeichen für den
Einfluss der Kirche im Mittelalter war die Angst der Menschen vor einem
schnellen Tod, da sie so nicht mehr die Möglichkeit einer letzten Beichte hatten.
Diese Auffassung ist gegensätzlich zum allgemein verbreiten Wunsch in der
Gegenwart nach einem schnellen Tod, der dem Sterbenden alle Qualen erspart.
Im Laufe der Zeit begannen
die Menschen, den Tod mit anderen Augen zu betrachten. Ihr Verhältnis zum Sterben
veränderte sich, da Religion und Kirche nun nicht mehr solch eine große Rolle
in ihrem Leben spielten. Man konzentrierte sich lieber auf das Diesseits
anstatt auf ein mögliches Leben nach dem Tod.
Dieses Denken beeinflusste
auch die Kunst. So wurde beispielsweise in der Malerei ab dem 18 Jahrhundert
nicht mehr der Sterbende allein und damit der Prozess des Sterbens dargestellt,
sondern vielmehr seine trauernden Angehörigen.
In der Kunst wurde dem Tod,
dem Sterbenden also immer weniger Bedeutung beigemessen. Auch im alltäglichen
Leben ist dieser Prozess zu beobachten. Im 19. Jahrhundert gar hatte sich die
durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen durch Medizin und Prävention
verdoppelt.
Man verdrängte den Tod immer
weiter. Heute gilt er fast schon als ein Tabu. Diese Verdrängung ist auf den
schwindenden Einfluss der Kirche zurück zu führen, da somit der Glaube an ein
Leben nach dem Tod verschwindet. Was zählt, ist die Wirklichkeit.
Menschen sterben heute nur
noch sehr selten zu hause im Kreise ihrer Angehörigen, stattdessen gibt es
Institutionen wie Altersheime oder Krankenhäuser, wo bis zum letzten Moment um
das Leben der Patienten gekämpft wird.
Durch die Medien wird der
Mensch ständig mit Leichen, mit dem Tod konfrontiert, doch anfassbar,
anschaulich begegnet er dem Sterben nicht. Dies ist ein Unterschied zur
Vergangenheit.
Menschen setzen sich nicht
mehr vergleichbar massiv wie im Mittelalter mit dem Tod auseinander. So besitzt
heute kaum noch jemand Schmuckstücke, die ihn an das eigene Ableben erinnern.
Auch setzt sich die
zeitgenössische Kunst anders, radikaler mit dem Thema Tod auseinander.
Werke und Ausstellungen
polarisieren heute. So auch die Ausstellung „Körperwelten“, initiiert vom
Anatom Gunther von Hagen, die seit 1996 besteht. In dieser Wanderausstellung
werden größtenteils menschliche Leichen dargestellt, die von Professor von
Hagen „plastiniert“, also speziell präpariert wurden, um Verwesungsprozessen
vorzubeugen. Den Besuchern der Ausstellung ist sogar teils erlaubt die
„Plastinate“, wie Gunther von Hagen die Verstorbenen verdinglicht, anzufassen.
„Noch mal leben“ aus dem
Jahre 2009 ist eine andere Ausstellung, die sich ebenfalls mit dem Tod befasst.
Hierbei werden Photografien von schwerkranken Personen kurz vor dem Sterben,
sowie als Leiche gezeigt. Unter den 26 Porträtierten sind Menschen allen
Alters.
In dieser Ausstellung geht
es anders als in „Körperwelten“, die den Schwerpunkt auf die Biologie, genauer
die Anatomie der Lebewesen legt, um den frühen Umgang mit dem Tod, Grundfragen
der Philosophie sollen geklärt werden. Durch diese Darstellung sollen Menschen
aufgefordert werden, den tieferen Sinn ihres Daseins zu erkunden. Der Besucher
blickt in das Angesicht des Todes und soll dabei seine Angst vor dem Sterben
verlieren, gleichsam lernen das Leben mehr zu schätzen.
Im Jahre 2008 plante der
Künstler Georg Schneider einen Sterbenden in den Mittelpunkt seiner Ausstellung
zu ziehen. Besucher sollten dem Todkranken beim Sterben zuschauen, gelänge dies
nicht plante Schneider einen kürzlich Verstorbenen auszustellen, um so auf die
„Schönheit des Todes“ aufmerksam zu machen. Durch diese Form der
Auseinandersetzung mit dem Tod wollte Schneider den Besuchern, ähnlich wie
„Noch mal leben“, die Angst vor dem Sterben nehmen. Auch er selbst könne sich
vorstellen im privaten Bereich eines Museums zu sterben, erklärte Schneider,
der für diese Ausstellung bereits einen Raum in seinem Atelier umgebaut hatte,
um den Todkranken dort auszustellen. Durch die heftige Kritik scheiterte
Schneiders Unterfangen schließlich, obwohl sich dieser angeblich schon mit
einem todkranken Kunstsammler verständigt habe, der sich bereit erklärt hätte,
als „Kunstobjekt“ für Schneiders Ausstellung zu dienen.
Politiker und Kritiker
verurteilten Schneiders Idee als entmenschlicht und pervers. Martin Henschel,
Direktor der Krefelder Museen, bezeichnete Schneiders Idee als ein „bloßes
Spektakel, das mit Kunst nicht viel zu tun hätte“. Auch
die Deutsche Hospiz Stiftung warnte: "Wenn wir alle Tabus niederreißen,
sind wir eine enthemmte und würdelose Gesellschaft".
Die wohl
bekannteste personifizierte Allegorie des Todes ist der Sensenmann. Sie stammt
aus dem Mittelalter. Dargestellt in der bildenden Kunst wird oftmals ein
menschliches Skelett, dessen Körper von einem Umhang und einer Kapuze verborgen
wird. So abgebildet führt der Tod eine Sanduhr und eine Sense mit sich. Während
die Sanduhr die zeitliche Begrenzung des Lebens verdeutlicht, trennt der Tod
mit der Sense die Seele vom Körper.
Des Weiteren
werden so genannte Vanitas-Symbole in der Malerei eingesetzt, um den Tod und
die Vergänglichkeit des Lebens zu verdeutlichen. Häufig wird hierfür das Symbol
des Totenschädels eingesetzt als auch eine erlöschende Kerze, eine Sanduhr oder
eine verwelkende Blume. Diese Objekte können das Lebendige nicht ersetzen, da
sie die Emotionen des Betrachters nicht erwidern können, vielmehr sollen sie ihn
melancholisch stimmen. Dadurch soll ihm seine eigene Anonymität aufgezeigt
werden. Der Betrachter wird Teil dieser Symbolik, da er selbst vergänglich ist.
Die betrachteten Objekte jedoch bleiben als verwaiste und wertlos gewordene
Dinge übrig.
Obwohl sich die
Darstellungsformen des Todes in der Kunst über die Jahrhunderte hinweg
verändert haben, ist es doch eins, das bleibt. Die Faszination, die der Tod auf
den Menschen ausübt. Aus ihr erwächst Inspiration, die dafür sorgt, dass auch
in der Zukunft das Thema Tod in der Kunst verarbeitet und dargestellt wird.
Heute berichten
Menschen über Erfahrungen mit dem Nahtod, klinisch Tote erwachen zum Leben, da die
moderne Technik bereits in der Lage ist, sie zurück ins Leben zu katapultieren.
Doch das vermeintliche Wissen über den ewigen Schlaf und damit die
Vorstellungen über den Tod bleiben subjektiv. Solange Unwissen herrscht über
das, was nach dem Leben kommt, ist die Kunst ein Mittel der Darstellung – und
wird es bleiben.
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